Kurz
Sehr geehrter Besucher,
liebe Arztkollegen,
die katholische Ärztevereinigung BKÄ - Bund Katholischer Ärzte - äußert sich nachfolgend zum Thema 'Ärztliche Aspekte zur Diskussion um die Beschneidung von Jungen'.
Sonderseiten:
1. 'Kritik an der Kritik' (Interview bei Radio Vatikan) mehr AKTUELL
2. 'Öffentliche Aktionen': mehr
Gründe + Umfrage
Dieses Tabu-Thema geht auch uns christliche ÄRZTE an, zumal wir als BKÄ-Ärztevereinigung uns grundsätzlich mit allen Themen beschäftigen, die im medizinisch-religiösen Bereich akut sind.
Daher bemühen gerade wir ÄRZTE uns auch um dieses Thema, denn Politiker und Geistliche sind möglicherweise befangen, stehen unter dem Druck von Medien, Öffentlichkeit und dem Zeitgeist - und sind schließlich keine medizinischen Fachleute.
Ein Arzt hat die Differentialdiagnostik gelernt und muss alle Bereiche seines Wissens und Handelns beachten.
Es wurde im Juli 2012 eigens eine Umfrage unter 120 katholischen Ärzten gestartet, deren Ergebnisse nachfolgend beschrieben werden.
Kein Protest ...
Der Bund Katholischer Ärzte schließt sich nicht dem Protest von kirchlichen und religiösen Verbänden und Institutionen gegen das Urteil des Landgerichts Köln an:
Dieses hatte im Juni 2012 eine Beschneidung von Jungen als Körperverletzung bezeichnet.
Zitat: "Das Kölner Landgericht hatte im Mai festgestellt, dass auch eine fachgerecht vorgenommene Beschneidung eines Jungen den Tatbestand der Körperverletzung erfülle. Daran ändere auch die Einwilligung der Eltern nichts. Vielmehr werde der Körper des Kindes durch die im Islam und im Judentum verbreitete Beschneidung 'dauerhaft und irreparabel verändert'.,"
Eine Zirkumzision rein aus religiösen Gründen ist für uns Körperverletzung.
Juristische Aspekte zum 'medizinischen Eingriff" mehr
Jedoch:
- Eine Zirkumzision aus hygienischen und medizinischen Gründen ist rechtens.
- Eine Beschneidung von Mädchen ist absolut körperverletzend und in jeglicher Hinsicht abzulehnen!
Pressestimmen
Stern: Jüdisches Krankenhaus Berlin stoppt Beschenidungen:
http://www.stern.de/politik/deutschland/reaktion-auf-umkaempftes-urteil-juedisches-krankenhaus-stoppt-religioese-beschneidungen-1848750.html
Kölner Stadtanzeiger: Kardinal Meisner...
http://www.ksta.de/politik/debatte-meisner-kritisiert-urteil-zur-beschneidung,15187246,16509630.html
Westdeutsche Allgemeine Zeitung:
http://www.derwesten.de/gesundheit/religion-oder-gesundheit-beschneidung-ist-haeufigste-op-id6821504.html
Ärztliche Meinungen
ACHTUNG:
Die folgenden Stellungnahmen sind persönliche Meinungen der Arztkollegen!
1) Aus Wien, Frau Dr.:
Bezüglich Beschneidung sollten wir die Beurteilung den Gerichten überlassen - es geht ja hier weniger um Körperverletzung (wie es ja letztlich fast jedes ärztliche Handeln ist - nur eben "erlaubte" Körperverletzung - ) sondern um die Frage nach der Entscheidungsgewalt der Eltern.
Dasselbe gilt etwa auch für jede Impfung, die (im Falle eines Impfschutzes oder Impfschadens) auch Auswirkungen auf das spätere Leben hat.
Beschneidung war ja sonst Aufgabe des Hausvaters oder des Priesters.
Also lassen wir die Politiker die Kohlen aus dem Feuer holen und halten wir uns an gesetzliche Vorgaben!
2) Allgemeinärztin aus RP:
Im Prinzip soll man alle Religionen - auch Ihre Rituale/Sitten akzeptieren, solange sie für die Körper nicht schädlich sind.
Allerdings haben die Kinder keine Möglichkeit Einspruch zu erheben, und die Beschneidung ist nicht wieder rückgängig zu machen.
Im Vordergrund der Diskussion steht jedoch die Verstümmelung der weiblichen Geschlechtsteile, die oft dauerhafte Schmerzen mit sich nachzieht.
3) Junger Arzt aus Niederbayern:
Ich möchte mich nicht für die nicht medizinisch indizierte Beschneidung einzusetzen. Ich bin kein Chirurg und bevorzuge, auch was die Phimose angeht, nach Möglichkeit sanftere Wege der Heilung.
Freilich wurde auch unser HERR beschnitten.
Aber das Christentum ist ja, auch dank Paulus, einen anderen Weg gegangen.
Das mit der Körperverletzung ist eigentlich logisch, wenn seit Anfang dieses Jahrtausends (2001?) Eltern nicht mehr erlaubt sein darf, physische oder psychische Gewalt gegen ihre Kinder anzuwenden.
Diese Frage könnte man auch einmal in Hinblick auf die Kinderimpfungen diskutieren.
4) Arzt aus Trier:
Ich halte Körperverletzung an Kindern auch unter religiösen Aspekten für nicht statthaft und anachronistisch.
Es ist ja gerade eine Errungenschaft des Christentums, alle Opfer in unblutiger Form durch Jesus Christus alleine und vollkommen vollziehen zu lassen.
Daher bin ich gegen Beschneidungen u. ä. im Kindesalter.
5) Orthopäde aus Norddeutschland:
Für mich ist das ... bei Jungen ... ohne medizinische Notwendigkeit, wie z.B. Phimose, Körperverletzung.
Deshalb verstehe ich auch unsere Bischöfe - wie so manchmal - nicht, wenn sie bereits sind, dies aus religiösen Gründen zu akzeptieren.
Das ist eine falsch verstandene Toleranz bzw. ein Kniefall vor nicht-christlichen Religionen ...
Hinweis des Webmasters nach eingegangener Kritik:
Diese 'lebendige' Meinungsäußerung zeigt das Bild einer aktiven Ärztevereinigung (BKÄ), auch wenn manche Leser jetzt überrascht sind und gereizt reagieren.
BKÄ möchte zum Nachdenken anregen und eben den ÄRZTLICHEN Aspekt betonen.
Medizinische Gründe FÜR Cc
Eine Hautärztin aus Oberbayern antwortet auf unsere Umfrage im Juli 2012 zum Sinn der Zirkumzision:
Wenn die Beschneidung nicht mehr wie bisher unter hygienisch einwandfreien Bedingungen von Ärzten durchgeführt werden darf, führt dies zwangsläufig dazu dass aus medizinischer Sicht Nicht-Qualifizierte dies übernehmen :
heimlich als "Hinterhof-Ritual".
Dies erhöht die Gefahr von postoperativen Infektionen und Folgeschäden der betroffenen Kinder.
Man kann gerade im Judentum einen über die Jahrtausende bestehenden identitätsstiftenden Ritus nicht einfach per Dekret abschaffen.
In Ländern mit feucht heissem Klima stellt ausserdem die Beschneidung auch eine medizinisch durchaus sinnvolle Maßnahme dar; Beschnittene sind weniger anfällig für Infektionen z.B. durch Pilze oder Viren, da das begünstigende feuchte Milieu unter dem Präputium entfällt;
auch zu sekundären Phimosen durch Insektenstich-übertragene Parasiten kann es dann nicht mehr kommen;
kongenitale Phimosen werden gleich therapiert und auch dadurch Sekundärinfektionen verhindert und Ekzeme ebenso.
Vermutlich haben diese positiven Erfahrungen im Islam dazu geführt, dass das Ritual von den Juden übernommen wurde, obwohl es nicht explizit im Koran steht, dass man Buben beschneiden soll.
(Dagegen ist die Beschneidung von Mädchen natürlich wirklich eine schwere Körperverletzung, da bar jeden medizinischen Sinns und auch nirgends religiös vorgeschrieben in den Hochreligionen.
Sie führt zu einer hohen
Rate von Komplikationen bei späteren Entbindungen, ganz abgesehen von den Infektionen im Zusammenhang mit dem Eingriff.)
Elterliche Erziehung
Neue Diskussion:
Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn wird bei www.kath.net zitiert:
http://kath.net/detail.php?id=37362
Schönborn zu Beschneidungsurteil: Religiöse Erziehung im Visier?
Schönborn wendet sich gegen die 'heute weit verbreitete Sicht', wonach ein 'Kind selber entscheiden soll, wenn es groß ist'.
Aus diesem Grund ließen auch manche christliche Eltern ihre Kinder nicht mehr taufen.
Dem hielt der Kardinal entgegen:
'Jede Erziehung prägt aber unweigerlich das Leben der Kinder. Schon das Ja zum Kind trifft für dieses eine lebenslange Entscheidung.'
Die implizite Attacke gegen religiöse Erziehung erinnert laut dem Kardinal an die Zeit, 'als der Staat den Eltern das Recht nehmen wollte, ihre Kinder selber und nach ihren eigenen Wertmaßstäben zu erziehen'.
Schönborn wörtlich: 'Das wäre dann wirklich ein Akt der Gewalt!'
Unser Kommentar:
Der Bund Katholischer Ärzte (München) respektiert das Recht und die Pflicht von Eltern auf religiöse Erziehung ihrer Kinder.
Jedoch ist ein chirurgischer Eingriff de facto eine Körperverletzung und grundsätzlich nicht zu verharmlosen. (In die Kölner Klinik war ja ein Bub mit Nachblutung eingeliefert worden). -
Wir alle sollten einmal nachdenken:
1. Ärzte - aber auch Juristen, Politiker - nicht für rein religiös motivierte Eingriffe zu instrumentalisieren, bzw. sie damit zu bedrohen, solche Eingriffe künftig illegal und heimlich auf "Hinterhof-Küchentischen" durchführen zu lassen. -
Wie auch immer, Beschneidung ist Körperverletzung.
Und ein chirurgischer Eingriff ist keine 'religiöse Erziehung'.
Daher bitte nicht Medizin mit Religion vermischen.
Wir Christen brauchen durch das Kölner Gerichtsurteil nichts zu befürchten.
2. Wenn schon protestiert wird, dann sollten wir über UNSREE Kindererziehung nachdenken, denn:
Viel schlimmer ist, daß immer mehr christliche Eltern heute gar nicht mehr erziehen und die religiöse Tradition auch selber nicht vorleben.
HIER sollten wir Christen uns an der eigenen Nase fassen...
(Noch einmal:
Die Zirkumzision hat nichts mit RELIGIÖSER Erziehung von Buben zu tun!)
Weitere BKÄ-Kommentare
Im christlichen Pro-Medienmagazin schrieb BKÄ zu einem Beitrag des Franfurter Religionsphilosophen Prof. Thomas Schmidt:
http://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft.html?&news
Danke für diese offenen Worte, die nicht dem Zeitgeist das Wort reden.
Gerade als Ärzte weisen wir darauf hin:
1. Bei der Beschneidung handelt es sich um einen chirurgischen Eingriff, der nicht verharmlost oder romantisiert werden sollte.
2. In einer BKÄ-Umfrage unter katholischen Ärzten in Deutschland und Österreich kommt klar zum Ausdruck:
- Nicht Religion mit Medizin vermischen,
- die Menschenwürde (eben auch des Säuglings) achten,
- ein chirurgischer Eingriff ist nicht nötig für eine religiöse Erziehung von Buben.
Religionsfreiheit ja, Körperverletzung ernst nehmen, keine 'rechthaberische Raserei' (danke für diesen Ausdruck), bitte jetzt keine Weltuntergangsstimmung unter Gläubigen. -
Links zum Thema
Zum Thema Beschneidung weisen wir auf folgende Links hin:1)
http://www.beschneidung-von-jungen.de, Graz.
2)
Schwierige Diskussion
Wie bereits in der ARD-Fernsehsendung "Anne Will" am 11.7.2012 formuliert wurde, möchten wir katholischen Ärzte:
- keine Denkbarriere zur Sache,
- kein Denkverbot,
- kein Verharmlosen durch Geistliche, Politiker, ...
- keine Polarisierung,
- keine 'Empörungswelle'
- kein Verschweigen von Komplikationen,
- keine Sexualisierung der Buben und der Gesellschaft (mittels Beschneidung),
- keine Verunsicherung oder gar Kriminalisierung der Ärzte (mehr),
Petition, Stimmen gegen Beschneidung
Mehrer Organisationen mahnen zur Vorsicht:
Medienberichte:
Evang. Zeitung: http://www.unserekirche.de/gesellschaft/aktuell/kinderrzte-und-kriminalbeamte-wollen-petition-einreichen_8814.html
http://www.unserekirche.de/gesellschaft/aktuell/kinderrzte-kritisieren-rituelle-beschneidung_8809.html
Dom-Radio Köln: http://www.domradio.de/aktuell/83049/kritik-an-beschneidungen-wird-trotz-bundestags-resolution-lauter.html
Deutschland-Radio: http://www.dradio.de/aktuell/1816841/
Kinderärzte kritisieren die rituelle Beschneidung:
Ärztezeitung: (22.7.) http://www.aerztezeitung.de/news/article/818426/petition-legalisierung-beschneidungen.html
Kurz:
Zu den Unterstützern einer Petition an den Bundestag und eines 'Runden Tischs' zwecks weitere Erörterung unter Fachleuten gehören:
- der Bund Deutscher Kriminalbeamter,
- der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte,
- die Deutsche Kinderhilfe,
- der Verband 'Mogis' für Opfer sexuellen Missbrauchs.
Links:
1) Bund Deutscher Kriminalbeamter:
http://www.bdk.de/der-bdk/aktuelles/pressemitteilungen/bundestagspetition-mit-forderung-nach-moratorium-und-einrichtung-eines-runden-tisches-als-reaktion-auf-die-gestrige-bundestagsresolution
2) Berufsverband der Kinderärzte: http://www.kinderaerzte-im-netz.de/bvkj/aktuelles1/show.php3?id=4277&nodeid=26
3) Kinderhilfe in der Presse: "Blankoscheck":
https://www.kinderhilfe.de/presse/
4) Mogis-Verein, Rostock: www.mogis-verein.de
Bundestagsbeschluß, Umfrage
Sehr geehrte Kollegen vom BKÄ und anderswo,
die Sie sich für das Thema "Beschneidungen" interessieren,
sehr geehrte Damen und Herren,
gestern hat sich der Deutsche Bundestag für die Rechtmäßigkeit von Beschneidungen aus religiösen Motiven entschieden.
Es gibt jetzt sogar hierfür ein eigenes Gesetz.
Beschneidungen sollen nicht verboten, sondern 'reguliert' werden.
1) Die FAZ schreibt:
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/abschliessende-debatte-bundestag-billigt-gesetz-zur-beschneidung-11991251.html <
12.12.2012 ·
Der Bundestag hat mit den Stimmen der Koalition und vieler Oppositionsabgeordneter die Beschneidung gesetzlich geregelt.
Ärztlich fachgerecht ausgeführte Beschneidungen bei Jungen sind damit bis zum sechsten Monat des Kindes grundsätzlich zulässig.
.. .Überdies dürfen Knaben in den ersten sechs Monaten nach der Geburt auch von Personen beschnitten werden, die von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehen und dafür besonders ausgebildet sind.
2) http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-12/beschneidung-urteil-bundestag
Frage:
Wie stehen Sie als Arzt und Bürger (und Christ und Jurist) zu diesen Fakten?
Meine Meinung als christlicher Arzt:
- Ich sehe keinen religiös triftigen Grund, einen Jungen chirurgisch zu verletzen.
- Jeder Eingriff ist immer noch eine Verletzung der körperlichen Integrität.
- Was wird die Rechtsprechung grundsätzlich sagen, wenn ein Kind durch Beschneidung stirbt (ist in Manchester, England bei einer christlichen Familie 2010 passiert!!)?
Info:
1) http://pro-kinderrechte.de/baby-verblutet-nach-beschneidung-durch-mohel/
2) http://hpd.de/node/14466
3) http://www.heise.de/tp/blogs/6/153287
- Wie sollen wir (katholischen) Ärzte uns jetzt verhalten?
(Das Gesetz begrüßen?
Schweigen, weil das Thema nicht mehr aktuell ist und uns nicht betrifft, und auch unsere Kirche den ärztlichen Aspekt nicht sieht?))
Vielen Dank für eine Stellungnahme, wenn Sie können und wollen.
Freundliche Adventgrüße aus München
Ihr
Dr. (I) Gero Winkelmann
Prakt. Arzt
BKÄ-Ärztevereinigung
D-82008 Unterhaching
www.bkae.org
Schluß
Vielen Dank für Ihr Interesse! Mit freundlicher Empfehlung
gez.
Dr. (I) Gero Winkelmann,
(Leiter der BKÄ-Ärztevereinigung)
Weitere Infos auf dieser Website unter:
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